Teneriffa Süd Abflug
(Die Wand, S. 75) Neben diesem biographischen Interpretationsansatz liegen weitere Deutungsmöglichkeiten. Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte zeigt, daß Haushofer ihre Inspiration vielleicht einer ganz anderen Art von Eskapismus verdankt, dem Science-Fiction-Roman. Haushofer las diese sehr gerne und gab sie danach dem Sohn einer Bekannten. Dieser erwähnte gegenüber Strigl eine Geschichte mit dem Titel Die gläserne Kuppel, die das Überleben einer Gruppe unter einer Glasglocke schildert. Eine eindeutige Zuordnung gelang zwar nicht, doch auch ohne diese ließe sich Die Wand kulturpessimistisch als Angst vor dem Atomkrieg deuten. Die Wand – Radikale Poesie. Eine andere, psychologische Interpretation liefert die Autorin selbst, "jene Wand, die ich meine, ist eigentlich ein seelischer Zustand, der nach außen plötzlich sichtbar wird. Haben wir nicht überall Wände aufgerichtet? Trägt nicht jeder von uns eine Wand zusammengesetzt aus Vorurteilen vor sich her? "
Inhalt und Meinung: Ein Frau fhrt mit ihrer Schwester und ihrem Schwager in die Berge, ein ganz normaler Wochenendausflug auf die Jagdhtte. Am Abend der Ankunft gehen Schwester und Schwager zu Fu noch ins Dorf, sich unters Volk mischen. Als die Frau am nchsten Morgen erwacht ist sie immer noch alleine. Der Wagen steht auch da. Sie macht sich Gedanken und will jetzt ebenfalls mit dem Hund ins Dorf. Pltzlich benimmt der Hund sich merkwrdig. Es ist als stoe er an ein unsichtbares Hindernis. Sie untersucht die Stelle... und tatschlich, sie fhlt eine unsichtbare, undurchdringliche Wand. Sie reagiert geschockt, geht die Wand entlang, kein durchkommen. Hat der Atomkrieg stattgefunden? Hat der Feind alles vernichtet und nur sie lebt durch einen Zufall? Auf der anderen Seite der Wand scheinen sichtbare Menschen und Lebewesen wie zu Stein erstarrt, leblos. Sie hat Angst, vor allem vor denen, die das angerichtet haben. Sie lsst Wand Wand sein und verschanzt sich in der Htte. Die wand marlen haushofer inhalt. Dank ihres bervorsorglichen Schwagers sind eine Menge Lebensmittelkonserven gelagert.
(S. 264) Dies ist nicht hauptsächlich negativ gemeint, sondern eine natürliche Folge menschlichen Zusammenlebens. Wollte Haushofer folglich eher eine Parabel über die Distanz, die nicht nur im negativen Sinne isoliert, sondern auch notwendig ist, schreiben? Eben keine Geschichte, die mit dem Bild der unsichtbaren Wand die innere Emigration einer Depressiven darstellt? Oder ist es doch eher so, wie ihre Freundin Erika Dannenberg mit psychoanalytischem Besteck seziert, die Darstellung eines schizophrenen Schubs, der jede emotionale Beziehung zur Außenwelt zerstört und in Verachtung des Anderen und tiefer Aggression mündet? Mich überzeugt die These Strigls, die in dem Roman die "radikalste Phantasie eines selbstbestimmten Lebens" (S. 261) sieht. Doch, um mich abermals dem Urteil dieser Biographin anzuschließen, "Man kann in dieser auf den ersten Blick so einfachen Geschichte immer noch ein bißchen tiefer graben und wird dabei auf neues Gestein, auf eine neue Erzader stoßen. "